Call for Papers: Herrschaft in den internationalen Beziehungen

Call for Papers: Herrschaft in den internationalen Beziehungen?
Workshop an der Goethe-Universität Frankfurt/ Exzellenzcluster „Normative Orders“,
28. bis 30. November 2013
Organisation: Prof. Dr. Nicole Deitelhoff, Prof. Dr. Christopher Daase
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Herrschaft galt lange nicht als adäquates Konzept zur Analyse der internationalen Beziehungen, sondern eher als ihr Gegenstück. In den letzten Jahren scheint sich dies aber verändert zu haben. So geraten zunehmend Phänomene in den Blick, die lange zentralen Annahmen einer Anarchie im internationalen Raum widersprechen. Nicht Anarchie, sondern politische Ordnung oder genauer: Ordnungen scheinen mittlerweile charakteristisch für die Analyse internationaler Politik zu sein. Diese Ordnungen sind höchst unterschiedlicher Natur, teils treten sie als hoch formalisierte und kodifizierte Regelungsstrukturen auf, teils sind sie eher informeller Natur und werden dann oftmals erst über die Widerstände sichtbar, die sie erzeugen. Für sie alle gilt jedoch, dass sie Über- und Unterordnungsverhältnisse konstituieren und instituieren, mithin Herrschaft ausüben. Doch bis jetzt wird Herrschaft in den Internationalen Beziehungen überwiegend von der Autorität her gedacht, oder der compliance. Webers Verständnis von Herrschaft als legitime im Sinne von Autorität hält sich bis heute in liberalen Vorstellungen und informiert das Denken über politische Zusammenhänge auch der internationalen Politik. Aber auch in kritischen Forschungsprogrammen, in denen Herrschaft eher als Dominanz oder Hegemonie im Sinne von Marx und Gramsci gedeutet wird, finden Verkürzungen statt, die es erschweren, die Vielfalt von Herrschaftsphänomenen in den internationalen Beziehungen zu identifizieren sowie ihre Ursachen und Folgen zu erklären.

Wir möchten diese Verkürzungen überwinden, indem wir internationale Herrschaft als Konzept umfassender zu denken. So können dann etwa sowohl die Regelungsstruktur der WTO, die Aktivitäten der Proliferation Security Initiative als auch die Generika-Problematik im HIV/Aids-bereich als bis jetzt theoretisch kaum trennscharf fassbare Ausprägungen internationaler Herrschaft erfasst werden. Wir schlagen dazu vor, uns diesen Formen von Herrschaft vom Widerstand aus zu nähern, den sie erzeugen, da oftmals gerade darin erst die Herrschaftsordnung aufscheint, gegen die sich dieser Widerstand richtet. Wenn man diesen Widerstand als politisch betrachtet, verweist eine Analyse daher immer auf die politische Ordnung, auf welche sich Widerstand bezieht. Eine fruchtbare Unterscheidung scheint hierbei die von Opposition, die in ihrer Programmatik die Ordnung als solche nicht ablehnt und sich der institutionalisierten Formen politischer Teilhabe bedient, und Dissidenz, die sich den Spielregeln des Systems verweigert und daher eher auf unkonventionelle Organisations- und Artikulationsformen zurückgreift.

Ausgehend von diesen Überlegungen, laden wir zu einem intensiven Workshop am  Exzellenzcluster „Die Herausbildung normativer Ordnungen“ an der Goethe-Universität Frankfurt vom 28.-30. November 2013 ein, auf dem wir verschiedene theoretische Zugänge zu Herrschaft als Konzept der Internationalen Beziehungen diskutieren wollen. Die Leitfragen des Workshops lauten, wie lässt sich internationale Herrschaft als Konzept für die Internationalen Beziehungen fruchtbar machen? Wie steht das normative Phänomen von Legitimität als Urteil zu dem empirischen Phänomen von Legitimität als Gehorsam? In welchem Verhältnis steht internationale Herrschaft als Konzept zu den Theorietraditionen der IB? Und welche theoretischen Anknüpfungspunkte außerhalb der engeren disziplinären Traditionen lassen sich hierfür weiterentwickeln, welche innovative und interdisziplinäre Anknüpfungspunkte gilt es zu eruieren und  welche Sackgassen gilt es zu vermeiden?

Hierzu rufen wir zur Einreichung individueller Beiträge auf. Der Workshop soll in Form kleiner, nacheinander stattfindender Panels sowie mit einem entsprechenden Programm eine intensive Diskussion ermöglichen und auch darüber hinaus zu einem vertieften Austausch beitragen. Wir freuen uns auf Abstracts von max. 500 Wörtern, die bis zum 15. Juli 2013 an info@dissidenz.net zu senden sind.